notiert am 10. februar 2005
  

menschen sind interessiert daran und haben auch recht es zu erfahren: die zusammenhänge unterschiedlichster aspekte mit design; soziologie, formtheorie, verhaltensmuster.
     die menschen wollen wissen, wie wir das zauberhafte schaffen, wie es uns designern gelingt ihr herz zu berühren, dinge zu kreieren die schön sind, die zufrieden machen, die freude bereiten.
     benutzer fragen sich, insbesondere unternehmer, wie das gelingt. hinterfragen die empfindungen. auch die sind auf eine gewisse art neugierig und wollen wissen wieso.
wir können das oft nicht beantworten, weil wir eins sind mit dem entwurf, weil es ein teil von uns ist, weil es mit unbewußter kompetenz geschieht aufgrund unseres talents und des jahrelangen trainings. wir fühlen wie es sein muß.

um den gebrauchern zu antworten denken wir über uns selbst nach, reflektieren, und versuchen die zusammenhänge darzustellen, schriftlich — das sind die designtheorien.

neulich, beim lesen eines der zahlreichen bücher über design thinking:

momentan wird der welt erklärt, dass nun die ära des design thinkings angebrochen ist. — das ist gut!

problematisch ist, dass diese bücher nicht nur erklären, dass es diese, wie ich immer sage, »denkweise der designer« gibt, sondern sie erklären primär welche methoden diese denkweise anwendet. dabei bekommt man manchmal den eindruck, diese bücher (und auch lehrgänge) vermitteln die ansicht, durch bloßes anwenden dieser methoden könnte man diese denkweise annehmen. — das ist falsch!

denn jetzt meinen manche beraterzweige, das bloße ausüben dieser design-thinking-methoden macht aus ihnen und den von ihnen beratenen bereits design thinker. ein fataler irrtum auf den der designer mit aller deutlichkeit hinweist, denn dieser irrtum würde in der folge eine ganze branche diskreditieren (weil das so eben nicht funktioniert).

designer wenden diese methoden mit unbewußter kompetenz an. das jahrelange training (die tatsächliche berufsausübung) nach fundierter schulung (das studium) versetzt uns in diese lage. nicht durch lesen und auch nicht durch bloßes anwenden dieser methoden, sondern nur durch konkrete gestaltungsarbeit erlernt man die denkweise der designer. 

der designer nutzt diese methoden spontan, situativ, vor allem fragmentarisch, so wie es gerade sinnvoll erscheint, aufgrund seiner erfahrung, abhängig von seiner entwicklung – es ist ja seine denkweise! hat der designer eine neue idee, dann nutzt er vielleicht story-telling, um sie auszuformulieren, überlegt gegebenenfalls zusätzlich negative konsequenzen, um sie zu verfeinern – hat er gerade keine idee, dann beobachtet er anwender (shadowing) und stellt/spielt situationen nach (service staging). dem designer käme nie in den sinn zu sagen: »lasst uns schnell story telling machen.« und boom, neues setting erstellt und jetzt methode abarbeiten. story telling stimmuliert bloß eine art der präsentation der ergebnisse des design thinkings, der tätigkeit design.

mein eindruck bei diversen veranstaltungen ist der, dass manager diese bücher lesen und meinen, wenn sie das gelesene anwenden, ist es design thinking. das rezeptartige anwenden von design thinking methoden ist nicht design thinking. es ist die tätigkeit des gestaltens, die einem zum design thinking führt, zur denkweise der designer. diese denkweise ergibt handlungen (man könnte es als die in den büchern besprochenen methoden bezeichnen), die der designer seit zig (!) jahren tagtäglich ausübt, von denen er aber nicht wußte, dass diese handlungen wie in den büchern beschrieben genannt werden (könnten). das erklärt, warum designer nicht besonders überrascht sind, wenn sie mit »neuen« methoden konfrontiert sind, die sie dem namen nach nicht kannten – die heißen jetzt nur anders oder haben erstmals einen namen.

diese methoden sind nicht die ursache für design thinking, sondern die denkweise der designer ergibt diese methoden, dieses verhalten.

das neue und besondere ist, dass die kombination dieser designdenkweise mit den klassischen denkmustern des managements fantastische neue möglichkeiten entstehen läßt. in akademikerkreisen hat man erkannt, dass diese denkweise designer zu idealen (und heute in der wirtschaft dringend benötigten) sparring-partner für die manager macht.

den letzten satz muß man genau lesen: die designer sind für die manager interessant, nicht die design-thinking-tools! das sind bloß krücken für non-designer, die kaum ideen haben und denen nun fälschlicherweise angedeutet wird, mit diesen krücken könnten sie einen 100-m-weltrekord laufen. das wird nicht der regelfall sein.

das gute an diesen büchern ist – dafür gebührt den autoren aufrichtiger dank der designgemeinschaft –, dass sie es den managern ermöglichen designer zu verstehen. indem über design thinking publiziert wird bekommen manager die chance die denkweise der designer zu interpretieren und zu nutzen – in ihrer denkwelt, indem sie es mit ihrem denken vernetzen und nicht indem sie ihre denkweise durch design thinking ersetzen.

die lektüre dieses büchleins (17 seiten) über »Messung der Kundenzufriedenheit: Theoretisches Konstrukt und Operationalisierung« von ulrich klap inspiriert, nein drängt zum aufschreiben dieser gedanken:

als service designer bin ich an brauchbaren methoden interessiert, mit der ich die zufriedenheit der kunden messen kann. zum einen, um die zahlen als argumente für service design im verkaufsprozess einzusetzen – manager lieben ja zahlen. zum anderen wäre es bequem, könnte man den erfolg der arbeit in zahlen abbilden, also objektivieren. dabei wäre dieser zweite punkt gar nicht so wichtig, da genügte es mir, ja ist es mir viel wichtiger, wenn kunden nach inanspruchnahme der gestalteten dienstleistung mit begeisterung von ihren erlebnissen erzählen (vgl. registrierungserlebnis eines delegierten beim JCI weltkongress 2005).

zwei bedeutende verfahren der qualitätsmessung von services sind SERVQUAL und SERVPERF – anerkannte und heute oftmals eingesetzte modelle. es gibt eine menge an literatur, die diese modelle erläutert und neue, darauf aufbauende modelle erklärt. eine zusammenfassung und gegenüberstellung verschiedener solcher meßmethoden fand ich in dem büchlein von klapp, das ich am wochenende las. danach wunderte es mich nicht mehr, dass services nicht wirklich gut sind. man verläßt sich auf mathematische formeln, auf statistische aussagen, anstatt sich mit den emotionen der menschen zu beschäftigen. ein vergleich zwischen den ökonomie-modellen der wiener schule (der mensch als indivduum) und keynes (der mensch als statistik) drängt sich auf. keynes hat nicht recht behalten, wie wir heute anschaulich und weltweit demonstriert bekommen – aber das ist ein anderes thema.

man fasst es kaum, was da verbreitet wird? es geht doch um das wohlbefinden der nutzer, der menschen, und nicht um ein abstraktes mathematisches modell. alle im büchlein vorgestellten modelle ignorieren die »ganzheitliche urteilskraft« der menschen! kein wunder, es sind wissenschafter, mathematiker, statistiker, die diese modelle entwickeln, keine designer. also wird auch keine sekunde die denkweise der designer eingesetzt. schade.

dabei sollen wir, wenn wir die qualität eines services beurteilen wollen, beobachten, vereinzelt gespräche führen, uns mit empathischen fähigkeiten in die lage der kunden versetzen und schließlich selbst (als eben diese nutzer) urteilen: »mit den augen der nutzer«, »in ihren schuhen stehend«. klar, das ist eine aufgabe für designer, für design thinker.

wie ein chamäleon soll man sich der zielgruppe, den nutzern, anpassen. durch beobachten, in interviews und durch eigenversuche ein gefühl für die nutzer entwickeln, schließlich so gut als möglich selbst teil der zielgruppe werden und dann eine für sich ideale lösung formulieren, in die zukunft extrapoliert. denn im allgemeinen können menschen ihre wünsche nicht verbalisieren, das wissen wir im design seit jahren. der designer im chamäleon-modus kann das.

entgegen der verbreiteten theorien bin ich der meinung, dass auch nicht erwartete leistungen positive auswirkungen haben, wenn sie geleistet werden – zb das glas wasser im restaurant, obwohl man keines verlangte. gerade diese »extrameile« erhöht die qualitätsanmutung. restaurants, die kein wasser bringen, weil man es nicht verlangt hat, sind in der subjektiven wahrnehmung von geringerer service qualität.

und als ob meine überlegungen nochmals in der praxis bestätigt werden sollten, werde ich am tag nach der lektüre von einem internationale telekomkonzern gebeten an einer kundenbefragung teilzunehmen. 15 minuten, um meine un- oder zufriedenheit über ihre services zu erklären. man fragt mich zunächst wie verlässlich ich den dienst, wie schnell ich die datenleitungen, wie freundlich ich das callcenter, etc. empfinde – auf einer 10teiligen skala (!!!). eher noch gut, eher schon schlecht, ganz unmöglich, … ich erspare die details. danach fragt man mich, welche erwartungen ich hätte (siehe SERVQUAL). und jetzt kommts: wieder mit dieser 10teiligen skala! wofür bitte zehnteilig?! nur technokraten können auf diese idee kommen, kein normaler mensch würde sagen, schnelligkeit der internet-verbindung sind »eher nicht wichtig«, oder die freundlichkeit, etc. warum sollte man da 7aus10 wünschen. klarerweise beantwortet der nutzer diese dimensionen mit »höchst wichtig«. man will schnellstes internet, zuverlässigste leitung, freundlichste mitarbeiter, etc., kein zweifel! so kann man service qualität nicht abfragen.

zunächst gilt es herauszufinden und zu verstehen: was wollt ihr kunden erreichen? was ist euer ziel? wieso nehmt ihr die dienstleistung überhaupt in anspruch? das ist die tatsächliche erwartung der nutzer.

dann die frage, ob das erfüllt wurde, ob die kunden ihr ziel damit erreicht haben. das ist das tatsächlich erhaltene service.

was besser gewesen wäre, was zu verbessern wäre, das können designer im chamäleon-modus als diese kunden benennen. das ist ihre aufgabe, aufzuzeigen, wie es »besser« oder »noch besser« sein könnte und dann, gemeinsam mit dem auftraggeber, eine umsetzungsstrategie zu erarbeiten.

am schluß des büchleins folgt noch der hinweis, dass das messen der qualität das ergebnis verfälscht. das ist nichts neues, aus der quantenphysik wissen wir von diesem phänomen schon längst. mit der »chamäleon-methode« beobachten wir bloß und kalibrieren uns durch punktuelles fragen. anschließend verbessern wir die service qualität durch prototypisieren in mehreren iterationen. so direkt und leicht könnte das sein.

der designer fühlt sich bestätigt, die von ihm entwickelte »chamäleon-methode« zu bevorzugen.

GAP fragt nach: was fehlt den creative industries um industries zu werden?

… die im moment denkbar beste lösung/form/variante/handlung entwerfen/kreieren, um ein bestimmtes ziel zu erreichen/ergebnis zu erhalten/eine bestimmte wirkung zu erzeugen.
(rudolf greger17.2.2011)

das passt zu: designer finden wege, um eine gegebene situation in eine gewünschte zu verwandeln. 
(nach herbert simon)

im service design geht es darum die berührungspunkte (touchpoints) zwischen dem kunden und dem unternehmen optimal zu gestalten, sodass einerseits interne prozesse effizient abgewickelt werden und andererseits diese leistungen vom kunden als großartiges erlebnis wahrgenommen werden.

service designer bringen die kundensicht ein und erarbeiten gemeinsam mit und als sparringpartner der internen experten diese großartigen erlebnisse.