die mühsamen diskussionen sind nichts anderes als die saat für die zu erntenden texte; für meine meinungen.

   

es vergeht kaum ein tag, an dem ich nicht über ein neues buch, eine neue methode, ein neues canvas oder einen neuen toolkit erfahre, mit dem man neue services schaffen oder besonders innovativ sein kann. ist man daran interessiert (ich bin es), dann beschäftigt man sich eingehender damit, man kauft es vielleicht sogar und dann stellt man fest: viele gute beispiele, viele theorien, einige davon auch sehr gut umgesetzt. aber all das ist wirkungslos, wenn man es nicht ausübt! und das ist genau der punkt. was heisst ES ausüben? wohl kaum, bloß eine methode anwenden und sich dann, ob der vorbildlichen umsetzung vorgegebener spielregeln, auf die schulter zu klopfen, sich zu zunicken, dass man eine »designthinking-methode« (die es ja nicht gibt*) mustergültig benutzt hat und also großartig »kreativ« war.

doch es gibt nur ein kriterium das zählt: hat der nutzer jetzt, nachdem wir diese methode angewandt, jenes buch gelesen und dieses canvas ausgefüllt haben, ein wirklich besseres leben, eine bessere erfahrung, ein tolles erlebnis?

in den meisten fällen muss man diese frage mit »nein« beantworten.

die dinge, die »kreativen arbeiten« kommen nicht an, beim volk, an der basis, wie man so sagt. sie bleiben in der vision stecken, im management, im getriebe der »excel-organisationen«. es fehlt in den meisten fällen, nicht immer, am hands-on, am rasch umsetzen und ausprobieren, am prototypisieren. den meisten servicedesignern, und mit ihnen den sie engagierenden managern, geht es um den prozess: klar definiert, terminisiert und sauber absolviert.

fertig.
hakerl im excel-sheet.
nächster punkt.
was hat der nutzer — nein, auf den nutzer konzentriert man sich nicht, nur der kunde interessiert — was hat der kunde dazu gesagt?
schnell eine umfrage, bitte kreuzen sie an, zwanzig fragen, ihr gefühl zwischen null (nicht zufriedenstellend) und 10 (das war spitze) und dann sehen wir schon, dass wir 3,417% mehr zustimmung gewonnen haben. großartig! zufrieden und stolz auf die »kreative« leistung des managements durch »neues denken« lehnt sich die führungskraft zufrieden zurück.

ruft dann ein kunde beim hersteller an, wann denn die im moment nicht verfügbare ware lieferbar sei, dann weiß die dame am telefon nicht, dass es die ware grade nicht gibt, kann keine brauchbare antwort geben, kündigt auch nicht an, sich schlau zu machen und ruft natürlich keinesfalls zurück. schalterbeamte, oh, die gibt es ja nicht mehr, verkäufer an fahrkartenschaltern sind grießkrämig weil sie am feiertag hinterm schalter sitzen (müssen), betreuen kunden schlecht, weil sie nicht wissen, dass sie selbst in wahrheit schnäppchen-jäger sind** (sie sitzen hier und machen diesen job, weil es ihnen weniger kostet als wenn sie daheim arbeitslos säßen). aber die manager sagen es ihnen nicht. sie haben keine zeit, denn sie lesen gerade das nächste buch über methoden für innovative serviceentwicklung.

* siehe »die wahrheit über designthinking«, designthinkingtank.at
** jens corssen, »der selbstentwickler«

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ich beobachte, dass die, ich nenne sie akademischen servicedesigner (die das thema theoretisch bearbeiten, aber nicht aus der klassischen design-szene kommen) mehr dem prozess treu sind, mehr am prozess interessiert sind, während jene designer, die aus klassischen designdisziplinen kommen (industrial design, graphic design, kommunikationsdesign, informationsdesign, environmental design) und sich neuerdings auch explizit (implizit taten das die guten designer immer schon) mit servicedesign beschäftigen, mehrheitlich ergebnisorientiert handeln. das heisst nicht, dass die akademischen servicedesigner nicht auch am ergebnis interessiert wären. dennoch kann man beobachten: die einen wollen den prozess sauber abwickeln und kausal agieren, die anderen wollen ein gutes ergebnis erzielen und das möglichst schnell. während bei den ersten das ergebnis (fast) ein nebeneffekt des richtigen prozesses ist, verwenden die anderen (irgendeinen) prozess, um das gewünschte ergebnis (den effekt) zu erreichen. für mich ist das der (oder ein gravierender) unterschied zwischen einer in wahrheit kausalen denkweise und der designer-denkweise (design thinking).

warum ist das so?
weil die wissenschaft (die leute an den universitäten) am ende eines projekts analysiert, wie und von welchem anfangspunkt aus ein endergebnis erreicht wurde und daher ganz klar den pfad der entwicklung ablesen kann. dieses ablesen ist aber immer nur posteriori richtig. apriori wissen wir designer nicht und kann man es auch nicht im detail und zur gänze vorhersagen, wie wir bis zum gewünschten endergebnis gelangen werden. wir agieren anlaßbezogen, wir prototypisieren und versuchen rasch und oft zu scheitern, um die dinge schneller zur reifung zu bringen. das abarbeiten von checklisten ist meiner meinung nach nicht erfolgsgarantierend. aber das ist es, was in servicedesign-kursen vermittelt wird: »zuerst müssen wir personas definieren und eine stakeholder-map erstellen«. mag sein, dass das in manchen fällen der erste wichtige schritt ist, muss es aber nicht sein. manchmal ist dieser schritt überhaupt nicht notwendig, sondern hält nur auf.

der designer gestaltet die dinge, situationen, die ihn interessieren und die an ihn herangetragen werden. er stülpt dabei seine methoden über die traditionellen vorgangsweisen in diesen gebieten. dadurch entstehen andere, neue ergebnisse, die manchmal auch als innovationen bezeichnet werden können.

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diese seine arbeitsweise nennen manche kollegen und berater »design thinking« — ich nenne es, die denkweise eines designers.

am schnellsten kann man diese (andere) denkweise nutzen, wenn man einen designer mit der anstehenden aufgabe befasst, unabhängig davon, ob das eine »typische designaufgabe« ist oder nicht, unabhängig davon, ob der designer so eine aufgabe schon einmal bearbeitet hat oder nicht.

im moment des schreibens, drängt es mich öfters von »lösungen« zu schreiben, aber das ist nicht der punkt. der designer ist nicht so tollkühn zu behaupten, er wüßte für alles eine lösung. der designer nutzt einfach seine »kultivierte naivität« und bearbeitet mit seinen methoden die gegebene aufgabe. er macht das nicht im alleingang. damit eine aufgabe gelingt (und sie kann nur gelingen) arbeitet der designer im team mit den anderen experten, mit externen und mit denen aus dem auftraggeberunternehmen. design ist teamarbeit.

ein designer kann alles bearbeiten. in diesem zusammenhang erinnere ich an ein interview von charles eames: man fragte ihn »what are the boundaries of design?« und er antwortete: »what are the boundaries of problems?«

design thinking ist ein schlagwort unserer zeit.

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den managern wird das als neues »must« vorgetragen. alle manager, die etwas auf sich halten, müssten nun design thinking anwenden. man meint damit, die »tools« der designer gebrauchen. manager sollen wie designer denken, wird ihnen vorgebetet. es geht um die revolution des begreifens und lösens von problemen, um offenes kollaboratives herangehen, um partizipatives gestalten, und was weiß ich noch.

man hat design thinking als die große neue denkschule präsentiert, ja ok, in manchen kreisen. aber es wird unheimlich gehypt und eine menge berater, meistens aus dem dunstkreis businesscoach und pr-consultant, präsentieren sich selbst als jene, die einem diese denkweise beibringen. als designer wundern wir uns über diesen hype, denn diese denkweise wenden wir seit generationen an. gemeinsam mit all den anderern kreativen menschen, die in den creative industries arbeiten. man erzählt uns also nicht wirklich neues. das neue an diesen »werkzeugen« sind die namen, die ihnen diese findigen berater gegeben haben.

jetzt ist es aber nicht so, dass ich sage, das ist alles humbug. ganz im gegenteil: jeder manager braucht design thinking, jedes unternehmen ist bestens beraten design thinking zu integrieren. aber nicht indem die manager beginnen wie designer zu denken, sondern indem die manager die kreativen dazu holen. design thinking ist die denkweise der designer. damit manager wie designer denken, müssen die jene übungen machen, die auch die designer gemacht haben (eine ausbildung mit talent als basis). denken die  manager dann wie designer, sind sie schließlich designer. oje, wo sind dann die manager?

die vielen befürworter dieser neuen mode/methode vergessen, dass es nicht darum geht aus managern designer zu machen, sondern darum, managern klarzumachen, dass die denkweise der designer eine ideale ergänzung ihrer eigenen denkweise darstellt. die kombination von sprunghaften, chaotischem, kollaborativen und effektualen denken mit kausalem, ordnendem und strukturiertem denken ergibt das erfolgsrezept, das mancherorts auch als business design bezeichnet wird. der designer ist der sparringpartner des managers. der manager beschäftigt sich mit design thinking, um diesen »verrückten« designer zu verstehen, nicht um ihn (meist schlecht) zu imitieren.

unternehmen, die design in ihren alltag integrieren werden erfolgreicher sein, als unternehmen die das nicht tun. unternehmen mit design sind näher am kunden. sie nutzen die empathischen fähigkeiten des designers. der kann sich wie ein chamäleon an die zielgruppe anpassen und dann ihre höchstwahrscheinlichen wünsche verbalisieren. warum er das besser kann als der manager? weil sich der designer eine kultivierte naivität leisten kann und nicht auf shareholder-value achten muß. er kann ketzerische fragen stellen und auf diese weise verkrustete informationsblöcke aufbrechen. er kann durch kindliches »warum?«-fragen neue ideen evozieren, deren evaluierung dann aber die strukturierte und besonnene, dabei nicht weniger kreative, denkweise der techniker und manager braucht.

nutzen sie design thinking, aber denken sie wie ein manager. engagieren sie sich einen designer als sparring-partner.

im übrigen bin ich der meinung, das design zentraler bestandteil jeder unternehmensstrategie sein muß.